audiophonium

Laut einem Lexikon dient ein Hörgerät dazu, Hörverluste bei Schwerhörigkeiten auszugleichen. Es ist ein wichtiges Mittel zur sozialen Eingliederung hörgeschädigter Menschen. Die Taubheit, die das »Audiophonium« im Arkadenhof der Universität Wien heilen soll, ist die spezifische Taubheit des männlichen Wissenschaftsbetriebs gegenüber Forscherinnern und Professorinnen. Über Generationen hinweg fanden ihre Leistungen nicht den gebührenden Widerhall. Bis heute wird die weibliche Stimme in der akademischen Welt ausgefiltert und überhört.

Beschreibung

Das Kunstwerk befindet sich auf der Hauptachse im Arkadenhof und besteht aus zwei Bereichen.

1. Bereich

Beim Haupteingang zum Arkadenhof befindet sich ein »natürliches« Auditorium. Die Stufen erinnern an die halbrund angeordneten, aufsteigenden Sitzreihen, die in griechischen Amphitheatern für hervorragende
Sicht und gute Akkustik sorgten.

Die beiden Sockeln dienen als Ausgangspunkte für einen Glasbogen, der sich – einem Triumphbogen gleich – über das Auditorium wölbt und sowohl die Akkustik verstärkt, als auch dem Raum einen
weihevollen Rahmen verleiht.

Der Glasbogen erinnert nicht zufällig auch an einen »pavillon auditiv« (oder auch »pavillon d‘oreille«, französisch für »Ohrmuschel«): Wie wir wissen, stand am Anfang das gesprochene Wort der Philosophie. Doch wenn die alten Griechen grundsätzliche Fragen erörterten, waren Frauen ausgeschlossen. Erst ab 1897 bahnten sich die Studentinnen ihren Weg an die Universität. Die philosophische Fakultät war die erste, die sich für Frauen öffnete.

Das »Audiophonium« im Arkadenhof soll nun ein etwas außerhalb der herkömmlichen universitären Struktur angesiedeltes, Frauen vorbehaltenes Forum darstellen, in dem die weibliche Stimme sich nuanciert und frei entfalten kann. Was Forscherinnen und Professorinnen zu sagen haben, soll in einem bis heute auf männliche Frequenzen eingestellten Wissenschaftsbetrieb nicht mehr untergehen.

Abb.: Skizze und Plan 1. Bereich

2. Bereich

Der zweite Bereich besteht aus sechs gerundeten Glasstelen (zwei Seiten zu je drei Stelen), die in Anlehnung an das »Audiophonium« links und rechts vom Kastaliabrunnen in einem Halbkreis angeordnet sind. Jede Seite besteht aus drei Stelen. Diese symbolisieren die ersten Fakultäten, die sich für Frauen öffneten: Philosophie, Medizin, Juridische Fakultät, Evangelisch-Theologische Fakultät, Katholisch-Theologische Fakultät. Die sechste Stele steht für die Romanistik, wo mit Elise Richter die erste Frau Österreichs habilitierte.

Die Stelen sind im oberen Bereich gerundet und dienen als Verlängerung des »Audiophoniums«. Hier wird der Schall aufgefangen und das von Frauen gesprochene Wort zu Gehör gebracht. Die Stelen symbolisieren gleichzeitig eine Gruppe von ZuhörerInnen. Sie tragen Zitate von Wissenschafterinnen, die alle übergangenen und vergessenen Leistungen würdigen, die Frauen in der Vergangenheit an der Universität erbrachten.

Abb.: Skizze und Plan 2. Bereich

Zusammenfassung

Aus heutiger Sicht ist es nicht immer möglich, sämtliche Leistungen von Wissenschafterinnen in der Vergangenheit nachzuvollziehen. Wer vermag schon im Nachhinein zu eruieren, wie oft ihre Beiträge in den Leistungen ihrer männlichen Kollegen untergingen. Die Installation auf der Hauptachse der Universität rückt die Forscherinnen symbolisch vom Rand ins Zentrum. Gleichzeitig würdigen die auf den Glasstelen aufgetragenen Zitate alle übergangenen und vergessenen, mitunter nicht einmal namentlich erwähnten »Musen« der männlichen Genies.

Der gläserne Bogen ist nicht nur ein Triumphbogen für Wissenschafterinnen, sondern gleichzeitig ein
Korrektiv für jene männlichen Kollegen, bei denen ihre Beiträge auf taube Ohren stießen. Das »Audiophonium« befindet sich unter freiem Himmel – auch das nicht zufällig: Schließlich war das schützende Dach des Wissenschaftsbetriebs in der Vergangenheit Männern vorbehalten.

Aus der Vogelperspektive betrachtet erinnert der Glasbogen an ein äußeres Ohr. Die Glasstelen neben dem Brunnen hingegen symbolisieren das Innenohr beziehungsweise das Trommelfell. Der Glasbogen hat die Funktion eines Verstärkers, denn er trägt die Schallwellen nach hinten zu den Säulen. Selbst leise und geflüsterte Worte, Geräusche und Regungen, die im Getöse des männlichen Wissenschaftsbetriebs leicht untergehen, werden von einer Seite des Bogens zur anderen transportiert. So bleibt – selbst über eine Distanz hinweg – eine besondere Intimität spürbar. Und hörbar.

An der Stelle, wo später das Podium stehen soll, herrscht schon jetzt eine besondere Akkustik. Mit der Glasinstallation wird jedes Wort noch einmal verstärkt, weil – abhängig von der Orientierung des Glasbogens – der Schall weitertragen wird. Das macht das »Audiophonium« zum idealen Raum, um gemeinsame Forderungen zu stellen, Ideen auszutauschen, Verbindungen zu anderen ForscherInnen zu knüpfen, aber auch zu einem Ort für Veranstaltungen. Hier sollen in Zukunft interessante Frauen das Wort haben und auch Gehör finden.

Abb.: Skizze, Vogelperspektive, Arkadenhof der Universität Wien

Projekt:
Teilnahme am geladenen Kunst am Bauwettbewerb zur Erlangung eines Denkmals für die
»Würdigung der Leistungen von Wissenschafterinnen der Universitaät Wien«

Universität Wien
Universitätsring 1
1010 Wien

Zur Teilnahme am Wettbewerb wurden eingeladen:
– Iris Andraschek
– Ricarda Denzer
– Ursula Hübner
– Zilla Leutenegger
– Bele Marx
– Sophie Thorsen

Titel unseres Entwurfs: »Audiophonium«

Konzept: Bele Marx

Muse: Gilles Mussard

Planung: 2009

Ausloberin: BIG

Jury:
– Katharina Blaas
– Gregor Eichinger
– Mona Hahn
– Susanne Holler-Mündl
– Johann Jurenitsch

beratendes Mitglied:
Eva-Maria Höhle

Den Wettbewerb hat IRIS ANDRASCHEK mit dem Entwurf »Der Muse reicht’s !« gewonnen

Fertigstellung und Präsentation des Projekts von IRIS ANDRASCHEK im November 2009